Einmal alles, aber bitte ohne Krise und Scheitern

Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir ständig gute Leistungen erbringen müssen, keine Durchhänger haben dürfen, uns mit allen Kollegen gut verstehen müssen und immer mit einem Lächeln auf den Lippen zur Arbeit kommen. Denn schließlich soll die Arbeit nicht nur Arbeit sein, sondern gleichzeitig auch Selbstverwirklichung und -erfüllung.

Im privaten Umfeld ist der Druck, perfekt zu sei, ebenso groß. Regelmäßig Sport machen, dabei stetig Gemüsesmoothie trinken, eine Beziehung führen, (insbesondere bei Frauen ist dieser Punkt extrem relevant) und währenddessen uns selbst beständig akzeptieren und lieben. Gleichzeitig darf man aber natürlich auch nicht zu perfekt sein, schließlich soll man nahbar und authentisch bleiben.

Es scheint, als hätten wir ein New Age Revival. Anders als in den 60igern und 70igern dürfen wir dabei aber keine Drogen nehmen, um diesen Zustand zu erreichen.



Unsere Konsumgedanke führt dazu, dass wir nicht nur Gegenstände sammeln wollen, sondern auch beständig Glück und Zufriedenheit. In diesem ständigen Zwang zwischen Perfektion, Sinnsuche und Selbstliebe bleibt für Krisen und Zweifel wenig Platz. Durch die Corona-Pandemie verbringen wir sehr viel mehr Zeit mit uns alleine und können dadurch uns intensiver mit uns selbst auseinandersetzen. Dabei kommen selbstverständlich Zweifel und Fragen auf. Die Bälle unserer unterschiedlichen Lebensbereiche, die wir so mühsam in der Luft halten, werden jedoch nicht leichter zu handhaben, wenn wir anfangen darüber nachzudenken, ob es überhaupt die richtigen Bälle sind. Wir verfallen in eine Schockstarre und müssen zunächst einmal akzeptieren, dass nicht alles so wunderbar läuft wie gewünscht.

Der nächste Impuls ist oft einfach alles hinzuschmeißen. Aufhören zu jonglieren und einfach alle Bälle zu Boden fallen lassen.Natürlich gibt es bestimmte Umstände und Zustände, die einen sofortigen Exit notwendig machen. Meistens ist der Auslöser für unsere Krise jedoch nicht auf externe Faktoren zurückzuführen, sondern wir tragen die Probleme in uns selbst. Durch einen einfachen Wechsel von externen Faktoren können wir diese Krisen nicht langfristig lösen.

Wir müssen unsere persönliche Resilienz, eine Krise auszuhalten und dabei zu identifizieren, was diese Krise auslöst, stärken. Erst wenn wir wissen, was eigentlich der Grund und Auslöser für die Krise war, können wir nachhaltig etwas tun. Status Quo erfassen – Auslöser und Hebel identifizieren – Lösungen finden und umsetzen: ein klassischer Beratungsansatz, der auch bei persönlichen Krisen hilfreich ist.

Wir müssen nur akzeptieren, dass bei diesem Prozess auch ein paar Bälle herunterfallen und Illusionen zerbrechen. Zum Glück ist das meistens aber gar nicht schlimm. Scheitern ist ein ganz normaler Teil des Lebens und stärkt unsere persönliche Resilienz. Die Angst vor dem Scheitern ist meistens schlimmer als das Scheitern selbst. Deshalb: mehr Mut zu scheitern!

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